1797 – The Mariner’s Revenge im Old Royal Naval College

Aller guten Dinge sind Drei, denke ich mir, als ich mich zum dritten Mal innerhalb nur weniger Tage auf den Weg nach Greenwich mache. Ich habe vor einiger Zeit angefangen, für „Lost in Theatre Land“ (einen Londoner Theaterblog) zu schreiben und darf mir „1797 – The Mariner’s Revenge“ ansehen. Der erste Versuch scheiterte noch bevor ich das Haus verlassen habe. Beim zweiten Mal war ich auf dem halben Weg nach Greenwich, als mich die Nachricht eines Feuerwehreinsatzes am Spielort erreichte und die Performance ausfallen musste. Dieses Mal habe ich es bis ins Old Royal Naval College geschafft! Ich gebe meinen Mantel ab und ein ohrenbetäubender Lärm erklingt. Feueralarm! Alle das Gebäude sofort verlassen. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll zu diesem Zeitpunkt. Eine Dame erklärt zerknirscht, dass sie vielleicht einfach eine falsche Tür geöffnet hat und den Alarm so ausgelöst haben könnte? Ein herbeigeeilter Sicherheitsmitarbeiter prüft… Nichts. Eine weitere Mitarbeiterin schmunzelt. „Wussten Sie, dass das Admirals House der Teil des Colleges ist, in dem es am meisten spukt? Ich wette unsere Geister möchten nicht, dass ihre Geschichten erzählt werden.“ Die Feuerwehr kommt, begeht das Admirals House und findet… Nichts. Die perfekte Einleitung zu einem Abend mit einer Spukgeschichte, oder?

Mark Knightley, Daniel Chrisostomou and Ross Lennon
Photo: Hannah Anketell

„1797 – The Mariner’s Revenge“ ist eine Immersive Experience, bei der wir aktiv zum Mitmachen animiert werden. Auf dem Dachboden des Old Royal Naval Colleges treffen wir auf einen verwundeten Matrosen. Während weiter unten im Haus Lord Nelson einige seiner Gäste bewirtet – darunter auch ein Kapitän – lernen wir Jack kennen, der sich von auf See erlittenen Verletzungen erholt. Als wir ihn zuerst treffen, befindet er sich im Delirium. Irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit. Er berichtet uns von seiner Verlobten und erzählt, dass ihm der ausgestopfte Albatros über seinem Bett Gesellschaft leistet. Es ist der Start in ein turbulentes Stück, bei dem der Zuschauer am Ende nicht mehr wirklich weiß, was wirklich und was geträumt war.

Mark Knightley and Cast
Photo: Hannah Anketell

Das Stück führt uns zurück an den Moment, in dem Jack auf See verloren ist. Seine Mannschaft hat ihn und einige weitere Matrosen in einem Boot zurückgelassen. Wir hören von einer Mission, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war und lernen einiges über den damals vorherrschenden Aberglaube der Seeleute. So wurde am zweiten Tag der Seefahrt der Klabauertmann an Deck gesehen, ein unverkennbares Omen drohenden Unheils. Wir tauchen ein in die Szenen, die dazu führen, dass Jack Stück für Stück seinen Verstand verliert und mehr und mehr ins Gespräch mit dem Albatros geht. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns wieder im Dachboden des Admiral‘s House befinden. Zum großen Finale, dem Zusammentreffen des verwundeten Jack und des Kapitäns, den er für sein Unglück verantwortlich macht.

Mark Knightley, Kyll Thomas-Cole and Ross Lennon
Photo: Hannah Anketell

Am Ende lässt „1797 – The Mariner’s Revenge“ mich mit einigen offenen Fragen zurück. Wie tief sind wir in den verstörten Geist des Matrosen eingetaucht? Wann sind die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn verschwommen und wann sind wir tatsächlich wieder aufgetaucht. Sind wir überhaupt wieder aufgetaucht oder fand auch das Finale nur in Jack’s Kopf statt? Ich fand es wahnsinnig spannend, verwirrend und teilweise verstörend. Die Themen des Stückes befanden sich irgendwo zwischen Liebe, Hass, Wahnsinn und ja, Rache. Auch wenn mir persönlich die Träume an der ein oder anderen Stelle zu wild waren und ich mich gefragt habe, was ich da gerade sehe, muss ich sagen, dass die Schauspieler allesamt einen fantastischen Job gemacht haben. Norma Butikofer hat dem Albatros erst ihre Stimme und dann sehr überzeugend auch ihren Körper geliehen. Ich war fasziniert von den kleinen Details ihrer Performance, die ohne große Erklärung deutlich gemacht hat, wer sie ist und was sie will. Mark Knightley hat uns als fieberträumender Jack mit Mimik und Gestik immer tiefer in die Dunkelheit seines Verstandes geführt. Daniel Chrisostomou hat mich als Kapitän vor allem mit seiner Stimme überzeugt, während Ross Lennon und Kyll Thomas-Chole als Matrosen die Zuschauer zum Mitmachen animiert und ganz hervorragende „Comic Releifes“ waren.

1797 – The Mariner’s Revenge ist auf jeden Fall ein Erlebnis. Es öffnet Türen in die Geschichte des Old Royal Naval College und insbesondere des Admiral’s House als Krankenhaus, die man sonst vielleicht nicht aufgestoßen hätte. Es läuft noch bis zum 12. November 2022 und bietet besondere Highlights über Halloween an. Falls ihr also noch nichts geplant habt, lasst euch auf einer Grusel-Tour durch die Hallen des Colleges führen!

Mein Fazit:

Bewertung: 3 von 5.

Euer Theatergeist

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